Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V.
Dienstag 1. März 2016
Ein verlogenes Parlament – Beispiel
Behindertenrechtskonvention: Die Huffington
Post berichtete am 24. Januar, wie der pensionierte Chefarzt der Psychotherapeutischen
und Psychosomatischen Klinik im Evangelischen Diakoniewerk Halle, Dr.
Hans-Joachim Maaz, seit letztem Oktober die Kanzlerin
mit psychiatrischem Diagnonsens verleumdet. A) Die Novelle des § 63 - ein Scheinreförmchen Derselbe Diagnonsens, mit dem Frau Merkel psychiatrisch verleumdet wurde, wäre in einem Strafprozess hinreichend für ein „schuldunfähig“ mit dem sog. „Sonderopfer“, unbefristeter, also prinzipiell lebenslänglicher, Einsperrung und der erzwungenen Erduldung von Körperverletzung durch psychiatrische Zwangsbehandlung“ weil „geisteskrank“ und „gefährlich“! Für
die Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist die Frage der
Abschaffung des § 63 von überragender Bedeutung, geht es doch um die
schärfste Strafe eines Staates, in dem die Todesstrafe abgeschafft ist:
Ein Lebenslang verbunden mit Folter durch psychiatrische
Zwangsbehandlung als sog. "Sonderopfer" ! Entsprechend
verlief die Anhörung des
Scheinreförmchens im Rechtsausschuss des Bundestages am 15.2.2016: Nur in der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Helmut Pollähne wird vermerkt:
Und von der Straubinger Forensik-Chefärztin Lausch wurde eingestanden:
Die Forensik hat also „Imageprobleme“: Dass diese Folterstätten immer mehr auf das Gewissen der dort Tätigen schlagen, darum werden wir uns also weiter bemühen müssen. Dagegen ist Italien ein aktuelles Beispiel, dass es sehr wohl geht, die psychiatrische Forensik abzuschaffen. Darüber berichtet Dr. Martin Zinkler in dem Editorial der Recht & Psychiatrie 4/2015, siehe Anlage 1, Zitat:
Wir hatten am 8. Juli letzten Jahres unsere Argumente für eine Abschaffung des Unrechtsparagrafen 63 StGB dem Bundesjustizministerium mitgeteilt, die wir in der Anlage 2 beifügen. Wir bitten Sie, diese nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern die Gelegenheit wahrzunehmen und öffentlich die Abschaffung des § 63 zu fordern. B) Statt PEPP ein „Individuelleres Entgeltsystem“ verhindern! Mehrfach haben wir vor dem Bundesgesundheitsministerium mit der Forderung demonstriert: Kein
Cent für die Zwangspsychiatrie ! Anbei dazu
das gemeinsame Flugblatt von dem Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener
und uns, Anlage 3.
Dazu wird der SpD in Artikel 6 Abs. 4 Satz 3 ermächtigt:
Zynisch
der Hinweis, dass Betroffene sich danach ja beschweren könnten. C) Keine Betreuung gegen den erklärten [natürlichen] Willen! Am
9.11.2011 legte die 2009 beim BMJV eingerichtete Arbeitsgruppe zum
Betreuungsrecht der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und
Justizminister ihren Abschlussbericht[i] vor. Sie war von den Ländern ins Leben gerufen worden
und auf deren Wunsch übernahm das BMJV den Vorsitz dafür. Die
Arbeitsgruppe sollte die Frage einer etwaigen Strukturreform im
Betreuungsrecht“ erörtern, ... wie das Betreuungswesen unter
dem Blickwinkel der UN-Behindertenrechtskonvention verbessert werden
kann.“ (S.5) Diese Aufgabe wurde bisher leider nicht erfüllt. Das deutsche Betreuungsrecht ist mit der UN-BRK unvereinbar, wie der UN-BRK-Fachausschuss am 17.4.2015 in seinem Staatenbericht über Deutschland[ii] in aller Deutlichkeit feststellte:
Um
das Versprechen der UN-BRK zu erfüllen, bzw. der Empfehlung des
UN-BRK-Komitees nach zu kommen, muss § 1896 Abs. 1a BGB novelliert
werden: Der Satz:“Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein
Betreuer nicht bestellt werden” muss durch diesen Gesetzestext
ersetzt werden: Gegen den erklärten [oder
natürlichen] Willen des Volljährigen darf eine Betreuung
weder eingerichtet noch aufrechterhalten werden. In Genf wurde in den Erklärungen der Vertreter des Bundesjustizministerium versucht, die in einer Betreuung erzwungene Stellvertretung zu leugnen und bewusst falsch zu behaupten, die Entmündigung wäre eine „unterstützende Entscheidungsfindung“ und vereinbar mit der UN-BRK, weil der Betreuer Wünsche des Entmündigten berücksichtigen soll. Aber eben nicht muss! Wir befürchten, dass das Bundesjustizministerium gegen die Selbstbestimmung der Betroffenen gerichtete Absichten verfolgt: Zur vermeintlichen Abwehr des Klagens gegen die erzwungene Stellvertretung könnte dem Druck der Betreuerorganisationen nachgegeben werden, sich über eine spezielle Ausbildung zu qualifizieren. Wenn aber „Betreuung“ nicht mehr ein (stellvertretendes) Wahrnehmen selbstverständlicher Bürgerrechte ist, wie es eben jeder Erwachsene kann – das ist geradezu ein Kennzeichen dafür, dass man ein Erwachsener ist –, sondern ein zertifizierter Ausbildungsberuf werden sollte, dann werden Richter sofort wieder zu der alten Praxis zurückkehren, dass sie das Wohl bestimmen und auf den Willen der betroffenen Person keine Rücksicht mehr genommen wird. Denn die richterliche „Wohl“bestimmung wird dann, wie früher, vom angeblichen „Expertenwissen“ durch die bekannten Gefälligkeitsgutachten von Psychiatern, Sozialarbeitern und vom Gericht beauftragten und diesem hörigen Betreuern abgesichert. Wenn also ein Vorsorgebevollmächtigter deren Meinung (z.B. eine Zwangseinweisung und folterartige Zwangsbehandlung sei geboten) widersprechen sollte, wird wieder behauptet werden, dass nun angeblich ein gesetzlich im Vordergrund stehendes „Wohl“ des Betroffenen im Mittelpunkt der richterlichen Entscheidung stünde. Zitat § 1897 (4) BGB:
Der
Bevollmächtigte würde im Gegensatz zu einem ausgebildeten
„Betreuer“ angeblich diesem „Wohl“ zuwiderhandeln, weil er sich an den
Willen des Betroffenen hält. Also müsse, so könnten die Richter
urteilen, der Bevollmächtigte durch einen ausgebildeten „Experten“
ersetzt werden. Zitat
Das seit dem 1.9.2009 mit dem Patientenverfügungsgesetz in Verbindung mit der Vorsorgevollmacht geschaffene Selbstbestimmungsrecht wäre durch die Hintertür wieder zunichte gemacht. Der
Vorwand der Berufsbetreuer, durch eine Berufsausbildungsordnung
usw. die “Betreuungsqualität” steigern zu wollen, ist verlogen, denn es
muss zu Klagen über Betreuungen kommen, wenn Richter
erzwingen können, eine rechtliche Stellvertretung zu erdulden.
Umgekehrt würde die Möglichkeit einer jederzeit möglichen Kündigung des
Stellvertretungsverhältnisses den Stellvertretenden tatsächlich an den
Wunsch und Willen des Stellvertretenen binden, was die notwendige
Voraussetzung für ein verständiges Miteinander und eine durch Assistenz
unterstützte Entscheidungsfindung ist. Das Verhältnis untereinander
bekommt nur dann den Charakter einer – jederzeit kündbaren –
Bevollmächtigung. Die Qualität einer Betreuung muss sich gegenüber dem
“Bevollmächtigenden” beweisen, nicht gegenüber einem Gericht - mag sich
das auch noch so wohlwollend wähnen. Ein Gericht könnte dann nur noch
eine Betreuung vorschlagen, jedoch nicht mehr erzwingen. Das erst wäre
dann tatsächlich eine „unterstützende Entscheidungsfindung“, wie sie in
der UN-BRK versprochen wird. Deshalb
wiederholen wir unsere Forderung: § 1896 Abs. 1a BGB muss novelliert
werden: Der Satz: “Gegen den freien Willen des Volljährigen darf
ein Betreuer nicht bestellt werden” muss durch diesen Gesetzestext
ersetzt werden: Die Erkenntnis, dass durch eine staatlich geregelte Berufsausbildungsverordnung, Qualifizierung, Zertifizierung oder Schaffung von Eingangsvoraussetzungen die Qualität einer Betreuung eben gerade nicht verbessert werden kann, hatte auch die eingangs erwähnte Arbeitsgruppe. In ihren Empfehlungen hielt sie fest:
D) Zwangsbehandlung nach Betreuungsrecht – Die
erzwungene Erduldung einer Körperverletzung ist menschenrechtlich
gesprochen Folter bzw. grausame,
unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Inzwischen gibt es auf der Grundlage einer Umfrage bei allen deutschen Amtsgerichten, eine wissenschaftliche Untersuchung von Prof. Wolf-Dieter Narr und RA Thomas Saschenbrecker: Nachgefragt
- die Reform der Zwangsbehandlung mit Neuroleptika Wir legen die Abhandlung als Broschüre gedruckt bei. In deren Fazit wird ausgeführt:
Die
Untersuchung beweist, dass die Prävalenz
der Zwangsbehandlung innerhalb eines Bundeslandes um den Faktor
Unendlich schwankt. Z.B. autorisierte das Amtsgericht Stolzenau, dass
dessen Verzicht auf Zwangsbehandlung öffentlich benannt wird. Dagegen
stehen in Niedersachsen Amtsgerichte mit bis zu 60 Zwangsbehandlungen
oder ein Amtsgericht in Bayern, das angegeben hat, 167
Zwangsbehandlungen in den letzten 2 Jahren genehmigt zu haben. Es
ist also offensichtlich, dass es gar nichts mit dem Gesetz zu tun
hat, ob man zwangsbehandelt wird, sondern es ist willkürlich, je
nachdem welchem Richter man nach dem Buchstaben des Nachnamens in einem
Gericht zugeordnet wird bzw. welches Amtsgericht für die Genehmigung
zuständig ist. Wir würden uns über eine Stellungnahme zu allen 4 Punkten aus Ihrer Perspektive freuen. Mit
freundlichen Grüßen Beschluss der Mitgliederversammlung: i.A. René Talbot und i.A. Uwe Pankow [i]
http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bibliothek/Gesetzesmaterialien/17_wp/Betreuungsbehoerde/abschlussbericht.pdf?__blob=publicationFile
[ii]
http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/UN-okumente/CRPD_Abschliessende_Bemerkungen_ueber_den_ersten_Staatenbericht_Deutschlands_ENTWURF.pdf
[iii] Artikel 33: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/UN-Dokumente/CRPD_Abschliessende_Bemerkungen_ueber_den_ersten_Staatenbericht_Deutschlands_ENTWURF.pdf |
Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V.
Donnerstag, 21. April 2016
Offener Nachtrag zu: Sehr geehrtes Mitglied das Bundestages, am 1. März baten wir Sie mit einem Brief um eine Stellungnahme zu folgenden 4 Punkten:
und fügten, neben anderen Anlagen, die Broschüre einer wissenschaftlichen Untersuchung von Prof. Wolf-Dieter Narr und RA Thomas Saschenbrecker bei: „Nachgefragt - die Reform der Zwangsbehandlung mit Neuroleptika in der Praxis der Betreuungsgerichte." Sie wurde auch hier veröffentlicht: http://www.psychiatrierecht.de/nachgefragt.htm und wertet eine Umfrage bei allen deutschen Amtsgerichten aus, siehe: http://userpage.fu-berlin.de/narrwd/legende.htm. Den ersten Punkt unseres vorigen Briefes möchten wir mit einem Hinweis auf diesen Artikel aus der „Soziale Psychiatrie" 02/2016 der DGSP ergänzen. Ohne
Mauern und Gefängnisse?
Des Weiteren
legen wir einen Artikel des Chefarztes einer Psychiatrie, Prof. Karl
H. Beine, aus der „Psychiatrische Praxis" 2/2016 bei,
der beweist, dass es mit ausschließlich offenen Türen
und ohne Zwang und Gewalt in
der Psychiatrie besser geht und zwar in 5 Regionen mit Pflichtversorgung:
Memmingen, Landsberg, Herne, Heidenheim, Hamm (siehe weiteren Bericht
von Prof. Beine in der Süddeutschen Zeitung vom 25.2.2016
im Internet: http://tinyurl.com/hwcuj25)
Damit überlässt es die Politik im Bund und den Ländern einer Willkürherrschaft von Medizinern, ob Personen, die psychiatrisch „diagnostiziert" - sprich verleumdet - wurden, Freiheitsberaubung und sogar Körperverletzung erdulden müssen, die schärfste Sanktion in einem Staat, in dem die Todesstrafe abgeschafft ist. Statt dass die Gesetzgeber, wie es gemäß § 3 GG und der Behindertenrechtskonvention selbstverständlich wäre, alle Bürger gleich vor solchen Grundrechtsverletzungen schützen, öffnen sie mit psychiatrischen Sondergesetzen, insbesondere dem § 1906 BGB und § 1896 BGB ärztlicher Willkür Tür und Tor. Dagegen
bieten Gerichte keinen Schutz, denn wie durch die
Untersuchung von Prof. Narr und RA Saschenbrecker bewiesen ist, wird
der ärztliche Entscheidungsspielraum, Zwang und Gewalt anzuwenden,
nicht eingeengt, sondern von genauso willkürlichen Entscheidungen der
Richterinnen und Richter gedeckt. Das ist im Ergebnis ein totales, anti-humanes Politikversagen! Da
wir bis heute auf unseren letzten Brief keine Antworten erhielten
(außer einer Karte mit einem 5 Zeiler von MdB Lothar Binding, die er
uns aber nicht gestattete zu veröffentlichen) haben wir uns
entschlossen, den Brief sowie diesen Nachtrag mit einem Hinweis auf die
völlige Sprachlosigkeit des Bundestages im Internet zu veröffentlichen,
siehe: Hochachtungsvoll
Beschluss der Mitgliederversammlung: i.A. René Talbot und i.A. Uwe Pankow |