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Wahlprüfstein zur Bundestagswahl 2017

Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener
Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener

Frage an die Parteien:

Im Unterschied zur Bundestagswahl 2013 haben wir dieses mal nur Parteien einen Wahlprüfstein vorgelegt. Deshalb gelten unsere folgenden Empfehlungen nur für die Zweitstimme, nicht für die Erststimme.

Wir haben jeweils CDU, CSU, SPD, FDP und GRÜNE mit einem Hinweis auf das Wahlprogramm der Partei DIE LINKE gefragt:

Im Wahlprogramm der Partei DIE LINKE steht auf Seite 32:
Wir wollen eine gewaltfreie Psychiatrie und die Abschaffung von Sondergesetzen.
Und auf Seite 118:
Wir setzen uns dafür ein, dass alle rechtlichen Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen aufgehoben werden, insbesondere psychiatrische Sondergesetze und ärztliche oder betreuungsrechtliche Zwangsbefugnisse.

Ist Ihre Partei ebenfalls bereit, in der nächsten Legislatur dieses Vorhaben durchzusetzen, sei es zusammen mit der Partei DIE LINKE oder anderen? Nur so kann das Betreuungs- und Unterbringungsrecht konform mit der Behindertenrechtskonvention (BRK) werden.

Als erklärende Begründung für die Forderung einer gewaltfreien Psychiatrie wurde hinzugefügt:

A) Der UN-Sonderberichterstatter on the right of everyone to the enjoyment of the highest attainable standard of physical and mental health, Dainius Pūras, hat in seinem Bericht an die UN-Vollversammlung vom 28. März 2017 (E für Englisch anklicken) erklärt (fett von uns):

65. Coercion in psychiatry perpetuates power imbalances in care relationships, causes mistrust, exacerbates stigma and discrimination and has made many turn away, fearful of seeking help within mainstream mental health services. Considering that the right to health is now understood within the framework of the Convention on the Rights of Persons with Disabilities, immediate action is required to radically reduce medical coercion and facilitate the move towards an end to all forced psychiatric treatment and confinement. In that connection, States must not permit substitute decision-makers to provide consent on behalf of persons with disabilities on decisions that concern their physical or mental integrity; instead, support should be provided at all times for them to make decisions, including in emergency and crisis situations.43                 43Guidelines on article 14 of the Convention,para.22.

Übersetzung (von uns):
65. Zwang in der Psychiatrie verewigt Ungleichgewichte der Macht in Fürsorge-Beziehungen, verursacht Misstrauen, verschärft Stigma und Diskriminierung und hat viele sich ängstlich von der Suche nach Hilfe innerhalb der psychiatrischen Versorgungsangebote abwenden lassen. Berücksichtigt man, dass das Recht auf Gesundheit jetzt im Rahmen der Behindertenrechtskonvention zu verstehen ist, sind sofortige Maßnahmen erforderlich, um ärztliche Zwangsmaßnahmen radikal zu reduzieren und den Übergang zu einem Ende aller psychiatrischen Zwangsbehandlungen und Zwangseinweisungen zu beschleunigen. In diesem Zusammenhang dürfen die Staaten keine ersetzende Entscheidungsfindung mehr zulassen, um die Zustimmung für Entscheidungen von Personen mit Behinderungen zu erlangen, die ihre körperliche oder geistige Unversehrtheit betreffen; Stattdessen sollte die Entscheidungsfindung immer nur noch unterstützt werden, auch in Notfällen und Krisensituationen.
B) Bitte lesen Sie in der Stellungnahme von Prof. Eckhard Rohrmann Bevormundung – Zwangsunterbringung – Folter zu den abschließenden Bemerkungen des UN-Komitees für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zum ersten Staatenbericht der Bundesrepublik zum Art. 12 der UN-Behindertenrechtskonvention, warum der § 1896 BGB zur Betreuung so novelliert werden muss, dass keine Betreuung mehr gegen den erklärten [natürlichen] Willen eingerichtet oder fortgesetzt werden kann.

C) Bitte beachten Sie außerdem dass der UN-Sonderberichterstatter on torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment, Juan E. Méndez, in der 22. Sitzung des "Human Rights Council" am 4. März 2013 Zwangsbehandlung in der Psychiatrie zu Folter, bzw. grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung erklärt hat, siehe: http://www.folter-abschaffen.de

D) Am 22.6.2017 hat der Abgeordnete von der Partei DIE  LINKE, Harald  Petzold, in der Debatte um die Änderung der  materiellen  Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahme den vom Rechtsausschuss berufenen Sachverständigen Dr. med. Martin Zinkler, Chefarzt der Psychiatrischen Klinik Heidenheim, zitiert. Bitte lesen Sie hier, was dieser über die Nicht-Notwendigkeit von Zwangsmaßnahmen im Rechtsausschuss des Bundestages zu Protokoll gegeben hat.
Damit hatten die Befragten die Möglichkeit, sich entweder menschenrechtlich konform zu entscheiden und die BRK zu erfüllen, die die befragten Parteien sogar zum Gesetz erhoben hatten, oder Art. 1 GG zu missachten, in dem in Absatz 2 steht:
Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Also ist unabdingbar und überfällig, dass der Gesetzgeber alle psychiatrischen Sondergesetze, die Zwang legalisieren, vollständig abschafft. Dass das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 GG mit einer entsprechenden Patientenverfügung gegen psychiatrische Zwangsmaßnahmen aktiv geltend gemacht werden muss, ist endlich zu beseitigen; der jetzige Zustand ist so absurd, wie wenn Folterfreiheit erst jeweils individuell von jedem/r verbrieft werden müsste, statt dass sie selbstverständlich ist.

Unsere Wahlempfehlungen:

Fazit:

Die Befragung der Parteien ergab, dass von den Parteien im nächsten Bundestag nur die Partei DIE LINKE sich für eine bedingungslos gewalt- und folterfreie Psychiatrie einsetzt und, als logische Konsequenz daraus, die Abschaffung aller psychiatrischen Sondergesetze fordert.
Wir können also für diese Bundestagswahl nur die Partei DIE LINKE empfehlen!
Sollte man ihr misstrauen, weil sie auf Landesebene sowohl in Brandenburg wie in Thüringen ihre Wahlversprechen für die Bundesebene gebrochen hat, bleibt nur entweder:

P.S.: Da die AfD offenkundig mit Rechtsradikalen verwoben ist, können wir nur ganz besonders von deren Wahl abraten - wo diese in Deutschland an die Macht gekommen waren, hatten sie den Ärzten freie Bahn für den systematischen Massenmord in den Psychiatrien verschafft.

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