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Der folgende Beschluss kam zustande, nachdem uns die Antwort des Sozialministeriums bzw. Frau Altpeters auf einen Antrag der CDU vorlag:

Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V.

Beschluss der Mitgliederversammlung der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener vom 3.7.2012:

Betrifft: Sitzung des Sozialausschusses des Baden-Württembergischen Landtags am 5.7.2012, Tagesordnungspunkt 2, Drucksache 15/1767

Ministerin Altpeter will "psychisch Kranke" diskriminieren!

Ministerin Altpeter will "psychisch Kranke" diskriminieren. Sie will ein Sondergesetz zur besonderen Diskriminierung und Entrechtung "psychisch kranker" Menschen einführen, das für den Fall gelten soll, dass diese in einen Zustand der Einwilligungsunfähigkeit geraten sollten.
Während bei allen anderen Kranken das Patientenverfügungsgesetz gilt, soll bei "psychisch Kranken" dieses Gesetz nur dann gelten, wenn sie vorher schriftlich eine Patientenverfügung für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit verfasst und unterschrieben haben.
Während bei allen anderen Einwilligungsunfähigen, die nicht als "psychisch krank" diagnostiziert wurden und die keine schriftliche Patientenverfügung gemacht haben, das Patientenverfügungsgesetz gelten soll, das in § 1901 a BGB in Absatz 2 vorschreibt, dass:
Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, ..ist der mutmaßliche Wille aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.
soll diese Regelung für angeblich oder tatsächlich "psychisch Kranke" ungültig gemacht werden.

Obwohl also nach dem Patientenverfügungsgesetz allein der mutmaßliche Wille medizinisches Handeln legitimieren kann - und eben gerade kein richterlich oder betreuerlich bestimmtes Wohl - und dieser anhand konkreter, also beweisbarer Aussagen aus der Zeit vor der Einwilligungsunfähigkeit ermittelt werden muss, soll diese einfache und klare Regelung in Baden-Württemberg durch ein Sondergesetz zur Zwangsbehandlung "psychisch Kranker" für diese nicht mehr gelten.

Denn wenn es keine beweisbaren Anhaltspunkte, wie Zeugenaussagen oder entsprechende Schriftstücke gibt, in denen der/die Betroffene der Psychiatrie das Recht zugesprochen hat, auch mit Gewalt zu handeln, dann darf es aufgrund §1901a BGB KEINE Zwangsbehandlung gegen den aktuellen Willen geben. Eine Zwangsbehandlung, also eine Körperverletzung gegen den erklärten bzw. zum Ausdruck gebrachten Wunsch, hat gesetzlich keine Grundlage. Sie könnte nur durch vorherige dokumentierbare Zustimmung als mutmaßlicher Wille akzeptiert werden.
Wenn aber keine solche Dokumentation vorliegt, und trotzdem ein Betroffener einfach per Order eines Ärzte-Gerichts Körperverletzung erdulden müsste, wäre das ein Verbrechen per Gesetz, bzw. ein verbrecherisches Gesetz, wenn Baden-Württemberg so etwas legalisieren sollte.
So versucht Ministerin Altpeter, statt das Koalitionsversprechen zu erfüllen, die Rechte "psychisch Kranker" zu verbessern, dieses Versprechen zu brechen und das Gegenteil zu veranlassen: ein Sonderdiskriminierungsgesetz zur Entrechtung einwilligungsunfähig "psychisch Kranker".
Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und gegen den grün-roten Koalitionsvertrag und damit das der Baden-Württembergischen Öffentlichkeit gemachte Versprechen.
Und es ist ein Affront gegen den Bundesgesetzgeber, der nach langwieriger und eingehender Diskussion mit großer Mehrheit explizit keine Reichweitenbegrenzung beschlossen hat, also dass das Patientenverfügungsgesetz explizit für alle Krankheiten in allen Krankheitsphasen gelten soll.

Hinzu kommt, dass sich die Ministerin, ohne ein Wort darüber zu verlieren, darüber hinwegsetzt, dass die vom BVerfG angemahnten Standards psychiatrischer Zwangsbehandlung nirgends auch nur entfernt am Horizont gesichtet werden könnten. Ministerin Altpeter will eine als Grundrechtsverletzung endlich anerkannte Willkürpraxis staatlicher Körperverletzung einfach fortsetzen. Einfach so, eben ohne dass es irgendwelche Standards gäbe, soll körperverletzt und misshandelt werden können.
Als Begründung ist für sie hinreichend: Wenn wir diese Abrichtungsmöglichkeiten nicht wieder bekommen, werden die Psychiatrien überquellen.

Das hat sich schon am 9.2.2012 angedeutet: In dem Fernsehbericht der SWR Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg" - "Behandelt wider Willen " Unterbringungsgesetz im Land teilweise verfassungswidrig", der in der Mediathek abzurufen war, ist besonders traurig , was die Ministerin Altpeter in die Kamera sagt:
"Und es ist natürlich auch eine Herausforderung, auszutarieren zwischen dem, was Ärzte und medizinisches Personal für notwendig hält und dem was Betroffene und auch Erfahrene an Erfahrung zu diesem Thema mitbringen."

Das zeigt wie völlig arrogant und ignorant die Ministerin gegenüber Grundrechten ist. Sie sind bei ihr nur ein mit Ärzte-Interessen günstig auszutarierender, relativer Wert, eben genau kein Grundrecht.
Vor so einer grundrechtsvergessenen Ministerin kann einem Angst und Bange werden.

Wie manipulativ sie die Zwangsbehandlung durchzusetzen versucht, beweist auch, wie sie auf die Frage in dem Antrag der CDU mit Zahlen aufwartet, die nur noch als Falschspielen zu bezeichnen sind: denn die angefragten Zahlen für Baden-Württemberg sind im Internet frei zugänglich und im übrigen jederzeit beim Bundesamt für Justiz verifizierbar. Sie will diese Zahlen verheimlichen:
Z.B. laut Altpeter ZfP Unterbringungen 2009 nach BGB: 624
Unterbringungen 2009 nach UBG: 1.526
Die tatsächlichen Zahlen für Baden-Württemberg 2009, die im Antrag angefragt waren, lauten:
nach BGB: 17.351
nach UBG: 3.299
(siehe Diagramm unten).

Dass Altpeter bei einer Gedenkveranstaltung in Grafeneck am 27.1.2012 davon sprach, dass "die Gesellschaft es den Opfern schuldig sei, danach zu fragen, wie es möglich war, dass wehrlose Menschen zu tausenden brutal ermordet wurden." wird so zu einer schamlosen Heuchelei, die wir nur noch blanken Zynismus nennen können.

Die Mitgliederversammlung der
Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V.
im Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin

_______________________________________________________________

Zwangseinweisungen in der BRD 2009



Gesamtzahl der Verfahren am Jahresende
(Quelle: Bundesministerium der Justiz, Sondererhebung "Verfahren nach dem Betreuungsgesetz, 1998 – 2005".)
 

 
Unterbringungsverfahren 2009

(Quelle: Bundesamt für Justiz, Justizstatistik GÜ 2, Auswertung und Gestaltung: Deinert)

-


§1906

§1846

Psych
KG

Baden-Württemberg

17.351

881

3.299

Bayern

38.387

11.357

10.103

Berlin

1.864

79

1.530

Brandenburg

1.419

45

570

Bremen

440

5

1.367

Hamburg

2.125

7

3.029

Hessen

11.446

91

9.316

Meckl.-Vorpommern

1.176

103

1.036

Niedersachsen

16.986

307

8.179

NRW

34.094

1.770

21.435

Rheinland-Pfalz

6.485

63

4.004

Saarland

2.388

12

1.171

Sachsen

6.509

253

892

Sachsen-Anhalt

1.499

79

629

Schleswig-Holstein

6.208

326

3.795

Thüringen

1.303

50

914

Gesamtzahl 236.377

 

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