Muster einer Strafanzeige gegen zwangsbehandelnde Ärzte
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 17. März 2003 (XII ZB 2/03) hatte eine Patientenverfügung als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts des Patienten Betreuer, Ärzte, Pflegepersonal und Bevollmächtigte eigentlich schon gebunden. Die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) gebiete es, die in einer Patientenverfügung getroffene eigenverantwortliche Entscheidung auch dann zu respektieren, wenn der/die PatientIn die Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Entscheidung verloren hat.
In seinem Beschluss vom 1. Februar 2006 (XII ZB 236/05) hat der BGH in den nicht tragenden Entscheidungsgründen festgestellt, dass § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung eines nach dieser Vorschrift untergebrachten darstellt. Zugleich hat der BGH in dieser Entscheidung aber auch darauf hingewiesen, dass in dem die Unterbringung genehmigenden Beschluss die notfalls zwangsweise durchzuführende Behandlung so präzise wie möglich anzugeben ist. Erforderlich soll hierbei u.a. die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder Wirkstoffs und deren (Höchst-)Dosierung sowie Verabreichungshäufigkeit und die Angabe einer Ersatzmedikation für den Fall der Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit des in erster Linie vorgesehenen Medikaments sein.
Umfang und Reichweite der Rechtsverbindlichkeit einer Patientenverfügung sind vom Gesetzgeber mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes am 1.9.2009 abschließend geklärt worden. (Für das Muster einer Patientenverfügung mit eingebauter Vorsorgevollmacht, die PatVerfü bitte hier klicken)
In seinem neuen Beschluss vom 20.6.2012 berufen sich die RichterInnen des BGH auf die Leitsatzentscheidung zur Zwangsbehandlung des Bundesverfassungsgerichts, das im März und Oktober 2011 die Zwangsbehandlung nach PsychKG bzw. Maßregelvollzugsgesetz für verfassungswidrig erklärte und den entsprechenden "Zwangsbehandlungsparagraphen" des rheinland-pfälzischen Maßregelvollzugsgesetzes und des UBG/PsychKGs in Baden-Württemberg für nichtig erklärte. Damit ist Zwangsbehandlung die gesetzliche Grundlage entzogen, weshalb eine Zwangsbehandlung durch den Unterbringungsbeschluss dann nicht abgedeckt und damit rechtswidrig ist. Auch gegen einen Unterbringungsbeschluss des Vormundschaftsgerichts sollte daher unbedingt sofortige Beschwerde eingelegt werden.
Um Betroffenen oder deren Anwälten für den Fall eine Formulierungshilfe an die Hand zu geben, dass sie auch mit dem Strafrecht gegen eine Zwangsbehandlung vorgehen wollen, haben wir das folgende Muster einer Strafanzeige ausarbeiten lassen, das auch als rtf Datei geladen werden kann (siehe oben) und entsprechend den individuellen Verhältnissen verändert, ergänzt oder durch Löschungen angepasst und korrigiert werden kann. (Eine Strafanzeige kann auch bei jeder Polizeidienststelle abgegeben werden).
die-BPE
Name
und
Adresse des Anzeigeerstatters
hiermit erstatte ich, Name, Geburtsdatum, Adresse Strafanzeige gegen den Chefarzt, den verantwortlichen Oberarzt sowie den behandelnden Arzt (falls namentlich bekannt, Ärzte benennen) des Y-Krankenhauses, Straße, Ort wegen des Verdachts der Körperverletzung sowie aus allen sonstigen Rechtsgründen und stelle Strafantrag.
In der Patientenverfügung vom XY habe ich ausdrücklich festgelegt, dass .... (ausführen, was in der Patientenverfügung festgelegt wurde, also welche Behandlungen und medizinischen Maßnahmen dort ausdrücklich untersagt bzw. abgelehnt werden, z.B. Behandlung mit Psychopharmaka). Gegenüber den Ärzten und dem Pflegepersonal habe ich unmissverständlich deutlich gemacht, dass ich an den in meiner Patientenverfügung getroffenen Festlegungen festhalte und diese weiter meinem Willen entsprechen. Trotz dieser eindeutigen und rechtlich verbindlichen Verfügung wurde ich auf der Station X des Y-Krankenhauses festgehalten und entgegen den in meiner Patientenverfügung getroffenen Festlegungen zwangsbehandelt. (Gegebenenfalls Zeugen benennen, die bestätigen können, dass Anzeigeerstatter gegenüber Ärzten und Pflegepersonal bestimmte Behandlungsmaßnahmen abgelehnt hat) (Falls
die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung
erfolgte:) 2. Die Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka auf der Station X des Y-Krankenhauses stellt eine Körperverletzung dar. Die ärztliche Behandlung mit Psychopharmaka greift in meine körperliche Unversehrtheit ein und stellt tatbestandlich eine Körperverletzung dar. Die medikamentöse Behandlung ist rechtswidrig, da sie ohne meine Einwilligung erfolgt. Die Verabreichung von Psychopharmaka ist auch nicht durch eine mutmaßliche Einwilligung gerechtfertigt. Zwar kann
in Einzelfällen eine ärztliche Heilbehandlung durch eine mutmaßliche
Einwilligung des Patienten gerechtfertigt sein. Für das Abstellen
auf einen mutmaßlichen Willen ist aber dann kein Raum, wenn - wie
hier - eine Patientenverfügung vorliegt, welche Festlegungen enthält,
die auch die konkrete Behandlungssituation mit umfassen. In seiner Grundsatzentscheidung vom 17. März 2003 (XII ZB 2/03) hat der Bundesgerichtshof die Bedeutung des Patientenwillens unterstrichen und festgestellt:
(Falls
Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung erfolgte:)
Durch Beschluss vom 20.06.12 XII ZB 130/12 hat der Bundesgerichtshof (BGH) vor dem Hintergrund der beiden grundlegenden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug (BVerfG FamRZ 2011, 1128 und FamRZ 2011, 1927) seine bisherige Rechtsprechung (BGH NJW 2006, 1277) wonach die Befugnis des Betreuers zur Einwilligung in ärztlicher Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zur Heilbehandlung auch die Befugnis umfasse, erforderlichenfalls einen der ärztlichen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden ausdrücklich aufgegeben. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Deshalb darf ein Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung keine Zwangsbehandlung veranlassen (BGH, Beschluss vom 20.06.12 XII ZB 130/12). Die zwangsweise Verabreichung von Psychopharmaka ist daher als rechtswidrige Körperverletzung zu werten. Bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit der Person gebietet das Grundrecht auf effektive Strafverfolgung - insbesondere, wenn der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Straftaten begangen haben und in Konstellationen, in denen sich die Opfer möglicher Straftaten in einem besonderen Gewaltverhältnis zum Staat befinden - eine umfassende Aufklärung des Sachverhaltes sowie eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals des öffentlichen Verfolgungsinteresses im Lichte dieses Grundrechts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.01.2020 2 BvR 1763/16). In einem solchen Fall kann der Verzicht auf eine effektive Strafverfolgung zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates führen. Dies gilt insbesondere auch, wenn Straftaten von Amtsträgern bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im Raum stehen (a.a.O.) Ich bitte um Mitteilung des Aktenzeichens, unter welchem dieser Vorgang bearbeitet wird.
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Die Körperverletzung nach § 223 StGB ist als Antragsdelikt ausgestaltet, d.h. die Tat wird nur verfolgt, wenn Strafantrag (nicht zu verwechseln mit der Strafanzeige) gestellt wird, sofern die Strafverfolgungsbehörden nicht ausnahmsweise ein besonderes öffentliches Interesse annehmen. Der Strafantrag kann durch den betroffenen Patienten gestellt werden. Ein solcher Antrag des Patienten muss nach § 77b StGB innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Kenntniserlangung von den strafrechtliche relevanten Umständen gestellt werden. (In dem hier abgedruckten Muster einer Strafanzeige ist ein Strafantrag bereits mitenthalten.)
Verfügt die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Ermittlungen die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, weil die Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage ergeben haben, erhält der Antragsteller unter Angabe der Gründe einen Bescheid der Staatsanwaltschaft.
Ist der Antragsteller zugleich der durch die Straftat Verletzte, kann er innerhalb von 2 Wochen gegen die Einstellung bei der vorgesetzten Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegen, § 172 Abs. 1 StPO.
Ist auch diese Beschwerde erfolglos, kann innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragt werden (sog. Klageerzwingungsverfahren). Dieses Verfahren ist für den Verletzten im Falle der Erfolglosigkeit allerdings kostenpflichtig.