Mit
freundlicher Genehmigung der drei Autoren veröffentlichen
wir die Internetversion des Artikels,
der in der Zeitschrift Recht und Psychiatrie 4/2010, Seite 234
- 237 erstmal erschienen ist:
Wolf-Dieter
Narr, Alexander
Paetow, Thomas
Saschenbrecker und Dr.
Eckart Wähner
Psychiatrie,
Zwang, Selbstbestimmung und Wohl behinderter Menschen
Ein
sozialwissenschaftlich-juristisches Memorandum zur
Geltung der Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland
Berlin
im Juni 2010
Seit dem
01.09.2009 gilt die Patientenverfügung. Der deutsche Bundestag
hat das Bürgerliche Gesetzbuch durch den § 1901 a
ergänzt. Er statuiert das Recht jeder Bürgerin und
jedes Bürgers, verbindlich festzulegen, wie sie oder er
medizinisch fürsorglich behandelt werden wollen, wenn ihr
Bewusstsein oder Artikulationsvermögen nicht mehr ausreicht,
selbstständig zu entscheiden. Für diesen Fall können
sie vorweg selbst bestimmen, was medizinisch fürsorglich
getan werden darf, wenn sie nicht mehr selbst bestimmen können.
Sie können auch eine Person vorweg bevollmächtigen.
Mit diesem Gesetz hat das Parlament den Grund- und Menschenrechten
des Grundgesetzes entsprochen. Diese werden, wie die Verfassung
freiheitlicher Demokratie insgesamt, vom roten Faden humaner
Selbstbestimmung zusammengehalten.
Wie schon
zuvor sind seither Versuche zu beobachten, aufgrund anderer
Wertbezüge und Überlegungen die klare und eindeutige
Norm der Selbstbestimmung, den demokratisch grundrechtlichen
Eckstein der Verfassung, und ihrer Verwirklichung durch krumme
Auslegungen zu relativieren und zu durchlöchern. Grade
und Grenzen der Selbstbestimmung sollen außerhalb der
selbst bestimmenden Person markiert werden. Für das, was
Selbstbestimmung ist, sollen externe, sachverständig stellvertretend
festgelegte und ihrerseits weiter interpretierbare Kriterien
angegeben werden. Dadurch wird die notwendige Rechtssicherheit
untergraben. Es entsteht die Gefahr, dass Selbstbestimmung,
mehr oder minder verborgen, zur Fremdbestimmung wird. Selbstbestimmung
als letztlich individuelle Entscheidung besteht aber äußerstenfalls
gerade darin, dass sie für andere, gerade die bestgewillten
helfenden Berufe nicht nachvollzogen werden kann.
Die Deutsche
Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
(DGPPN) versucht u.a., die Umfassungskraft und Reichweite der
Patientenverfügung (PatV) in ihrem Sorgebereich infrage
zu stellen. Sie hat dafür ein medizinisches Rechtsgutachten
in Auftrag gegeben. Außerdem ist seit der Geltung der
PatV ein Urteil ergangen, das sie ins Leere laufen lässt.
Um weitere Umgehungen und Unterwanderungen möglichst zu
verhindern, insofern sie das Selbstbestimmungsrecht erschüttern
(und geschehe dies im besten vermeintlich sorgenden Bewusstsein),
haben wir nachfolgendes, hier in einer Kurzfassung pointierendes
Memorandum mithilfe primär sozialwissenschaftlich und juristisch
fundierter Argumente verfasst. Wir beginnen mit unserer normierenden
Norm, der PatV, eingebettet in den Kern des Grundgesetzes (A.).
Wir referieren und kritisieren danach (B.) den Versuch der DGPPN,
armiert durch ein interesseabhängiges Gutachten, die PatV
für die Menschen zum umgehen, die auf psychiatrische Hilfe
angewiesen sind oder ihr zwangsweise zugewiesen werden (1.).
Der Hinweis auf einen »Beschluss« des Amtsgerichts
Witten vom 05.11.2009 und einen bestätigenden »Beschluss«
des Bochumer Landgerichts vom 01.01.2010 unterstreicht, dass
es auch Gerichte unterlassen, zulange in der Zwangsroutine eingeübt,
psychiatrischen Zwangsansinnen grundrechtlich auf die Finger
zu schauen und sie als Verletzungen von Art. 2 Abs. 1 und Abs.
2 GG in Verbindung mit Art. 1 Satz 1 GG zu verneinen (2.). Wir
schließen (C.), indem wir einerseits das Selbstbestimmungsrecht
mithilfe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in
seiner hervorragend unverkürzten Geltung hervorheben (1.).
Andererseits appellieren wir an die Profession der Psychiatrie
und diejenigen, die sie ausüben, sich endlich als Heilberuf
von allem Zwang restlos zu emanzipieren (2.).
A.
Die Patientenverfügung
Sie lautet,
jeder Bürgerin und jedem Bürger eigen, selbst wenn
sie nicht emphatisch normiert wäre (§ 1901 a BGB):
»Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für
den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt,
ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht
unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustandes,
Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder
sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer,
ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation
zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des
Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenverfügung
kann jederzeit formlos widerrufen werden.« (Abs. 1)
»Liegt
keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen
einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens-
und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche
oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen
und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche
Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt.
Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte
zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere
mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische
oder religiöse Überzeugungen und sonstige Wertvorstellungen
des Betreuten.« (Abs. 2)
Diese Absätze
gelten unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung eines
Betreuten (Abs. 3) Außerdem kann niemand zur Errichtung
einer Patientenverfügung verpflichtet werden, und die Einrichtung
oder Vorlage einer Patientenverfügung darf nicht zur Bedingung
eines Vertragsabschlusses gemacht werden (Abs. 4).
In einem
»Gespräch zur Feststellung des Patientenwillens«
(§ 1901 b BGB) prüft der behandelnde Arzt, »welche
Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose
des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern
diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens
als Grundlage für nach § 1901 a zu treffende Entscheidung«
(Abs. 1). Bei der Feststellung des Patientenwillens nach §
1901 a Abs. 1 oder der Behandlungswünsche oder des mutmaßlichen
Willens nach § 1901 a Abs. 2 »soll nahen Angehörigen
oder sonstigen Vertrauten des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung
gegeben werden, sofern diese ohne erhebliche Verzögerung
möglich ist« (Abs. 2).
Joachim
Stünker, MdB, hat in der grundlegenden Debatte des Deutschen
Bundestages am 29.03.2007, die Intentionen des Gesetzgebers
zusammengefasst: »Darum die Frage: Bringt denn eine gesetzliche
Neuregelung für die Zukunft Rechtssicherheit? Ich sage:
Ja, wenn es eine klar definierte materiellrechtliche Regelung
zum zulässigen, verbindlichen Inhalt eine Patientenverfügung
gibt. Nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung entfaltet
die Regelung im bürgerlichen Gesetzbuch Gültigkeit
in allen Lebensbereichen.«
Die Bundesärztekammer
und ihre Ethikkommission haben im April/Mai 2010 erklärt:
»In der Praxis wird gefragt, ob der Arzt in den Fällen,
in denen der Patient weder einen Bevollmächtigten noch
einen Betreuer hat, selbst bei Vorliegen einer einschlägigen
Patientenverfügung stets die Bestellung eines Betreuers
durch die Betreuungskammer anregen muss ... Die Bundesärztekammer
und die ZEKO sind wie das Bundesministerium für
Justiz der Auffassung, dass eine eindeutige Patientenverfügung
den Arzt direkt bindet.«
Der BGH
hat in seinem Urteil vom 25.06.2010 (NJW 2010, 2963) normativ
folgerichtig unterstrichen, dass auch der nur mündlich
geäußerte Wille des Patienten verbindlich ist. Eine
diesem folgende Handlung der bevollmächtigten Person ist
rechtens, im gegebenen Fall die Unterbrechung der künstlichen
Ernährung durch die Tochter.
B.
Die Schwierigkeiten der und mit der Psychiatrie
1. Die
Psychiatrie als Berufsvereinigung und in der Mehrheit ihrer
psychiatrischen Praktiker tut sich infolge ihrer dem Zwang vielfach
verschwisterten Vergangenheit (bis in die junge und jüngste
Gegenwart) und ihres auch deshalb ungeklärt paradox durchwachsenen
Verständnisses psychiatrischen Heilens schwer, die PatV
für ihre »Klientel« zu akzeptieren. Dieser
Ausdruck bedeutet im altrömischen Sinne abhängige
Schutzbefohlene. Die psychisch Behinderten werden nicht als
selbstständige Bürgerinnen und Bürger akzeptiert.
Die organisierte Psychiatrie will gemäß ihren Verlautbarungen
und der von uns beobachtbaren Praktiken die Selbstbestimmung
als essenziellen Bestandteil von Würde und Integrität
für psychisch Behinderte nicht gleichermaßen gelten
lassen. Als verdienten diese eine Sonderbehandlung (und vorgängig
ein Sonderrecht). Dazu hat die DGPPN ein Rechtsgutachten bei
Professor Dr. Dirk Olzen bestellt, Geschäftsführender
Direktor des Instituts für Rechtsfragen der Medizin an
der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er legte
es am 02.12.2009 vor. Das Gutachten sticht dadurch hervor, dass
es den Psychiatern und ihrer Vereinigung, der DGPPN, Auslegungs-
und Verfahrenswege anbietet, die PatV zu umgehen, indem sie
die Grund- und Menschenrechte in ihrem Berufsfeld professionell
überlegen ausjäten.
a) Die
PatV wird unter der Perspektive des psychiatrischen Zwangs vorgestellt.
Alle rechtlich bisher geltenden Hebelpunkte des Zwangs, der
PsychKGs u. a. werden versammelt, um unter ihrer Perspektive
die Selbstbestimmung psychiatrischer Patienten auszuhöhlen.
So bleibt von der PatVG nur noch, dass die Psychiater nicht
unmittelbar zwangsbehandeln dürfen (Zwangsdiagnose, Zwangsverwahrung
u. a. scheinen zulässig). Und selbst die Zwangsbehandlung
kann durch eines dolus professionalis erschlichen
werden, indem die Qualität der Selbstbestimmung der behinderten
Person infrage gestellt wird.
b) Die
Befindlichkeiten von »Wille« und »Wohl«,
von »Selbstbestimmung« und »Fürsorge«,
die für eine freie Gesellschaft und ihre Menschen zusammengehören,
werden wir Gegenbegriffe getrennt. Grundrechtswidrig werden
sie gegeneinander ausgespielt. Professionelle, staatlich gestützte
bestimmende Praxis von (Fremd)-»Wohl« und stellvertretender
»Fürsorge« treten an die Stelle vom eigenen
Willen aller Menschen und ihrer Selbstbestimmung. Damit wird
die Würde des Menschen, professionell behandschuht, angetastet.
c) Die
zentrale Aufgabe von Heilberufen, so denn solche sein wollen,
ist die Art und Weise des behutsamen Umgangs mit Menschen, die
aus diversen Gründen hilfsbedürftig sind. Gerade bei
behinderten Menschen ist ihre allseitige Unversehrtheit aufs
Äußerste zu achten. Das scheinen jedenfalls die Vereinigung
der Psychiater und diejenigen, die ihr folgen, ausweislich des
zwangsorientierten Gutachtens Olzen nicht begriffen zu haben
Sonst käme es ihnen nicht darauf an, ihre Patienten zu
entmündigen. Vielmehr setzten sie alles daran, ihre Mündigkeit
zu vermuten, selbst und gerade wenn sie sich, meist nur phasenweise,
bedeckt und verwirrt äußert.
d) Die
Wahrheits- und Sicherheitspose, die Psychiater einnehmen, wenn
sie Heilen durch Zwangsvorkehrungen ersetzen und als Gutacher
Schein-Gewissheiten ihrer Diagnose und Prognose prätentieren,
ist durchgehend, wie ein schlechtes Gewebe durchscheinend. Nicht
nur schließen sich humane Wahrheit und Zwang aus. Vielmehr
stellen die Krankheitsbezeichnungen à la »Psychose/Schizophrenie«
bestenfalls vermutungsgedeckte, mit vagen Kriterien versehene
Etiketten dar. Könnte das Stochern mit einer professionell
anspruchsvollen und teuren Stange noch gesteigert werden, träfe
dies auf die zwangsuntermalten Therapien zu, ein Lust und ein
Gewinn der Pharmaindustrie. Das untergründige Wissen der
Psychiatrie um ihr sumpfiges wissenschaftliches Fundament äußert
sich symptomatisch u. a. darin, dass es in PsychKGen und entsprechend
dem Gutachten des Professors Olzen ausreicht, wenn ein Psychiater
oder »psychiatrisch Erfahrener« diagnostiziert und
prognostiziert. Man stelle sich eine existenziell bedeutsame
Analyse eines Chemikers vor, bei der ein diesbezügliches
Recht (und ein Recht sprechendes Gericht) damit zufrieden wäre,
das ein »chemisch Erfahrener« Stellung bezieht.
2. Im erwähnten
»Beschluss« des Amtsgerichts zu Witten und dem nachträglich
bestätigenden »Beschluss« des Bochumer Landgerichts
fallen vor allem drei grundrechtliche Widersprüche auf.
Sie zeigen günstigenfalls, dass die neuen §§
1901 a, 1901 b und 1901 c BGB in Witten und Bochum in ihrer
Bedeutung noch unbekannt gewesen sind.
a) Beide
gerichtlichen Instanzen übergehen oder verneinen, dass
Herr X, der gegen seine Behandlung geklagt hatte, Monate bevor
er zwangsbehandelt wurde, einen Bevollmächtigen benannt
hatte.
b) Die
Gerichte folgten darin und in den konsekutiven Zwangsmaßnahmen
dem psychiatrischen Gutachten eines Dr. Mönter gleichsam
blind. Als habe der Psychiater wahr gesprochen. Er legte aber
Herrn X nur eine pauschale Krankheitsetikette auf. Außerdem
verordnete er zwangsweise, in ihrer Wirkung dazuhin mangelhaft
ausgewiesene, nicht einmal evidenzbasierte Medikamente.
c) Die
Gerichte haben in ihrer vornehmsten Aufgabe versagt, nämlich:
die Interpretation der Grundrechte nicht einem (angeblich) Sachverständigen
zu unterwerfen. Dessen Sachverstand unterstellten sie außerdem
ohne Not ungeprüft als konsistent gegeben.
C.
Das Grundrecht auf Selbstbestimmung ist kein Fiaker
Das Grundrecht
auf Selbstbestimmung ist kein Fiaker, auf den man, weils
Besitzer anderer Fahrzeuge »sachinteressenverständig«
wollen (und wären sie professionell und wissenschaftlich
motorisiert), demokratisch rechtsstaatlich aufsteigen oder absteigen
dürfte.
1. Das
Persönlichkeitsrecht laut Bundesverfassungsgericht. Das
ist die wichtigste, normativ verbindliche, also handlungsleitende
Botschaft höchstrichterlicher Entscheidungen. Im Gutachten
wird vor allem auf die jüngsten Entscheidungen abgehoben.
Zuerst die Entscheidung vom 27.02.2008 in Sachen Ausweitung
des Integritätsschutzes des Menschen nach Art. 2 Abs. 1
und 2 GG. Zum zweiten die Entscheidung vom 02.03.2010, die das
Gesetz zur Speicherung von bürgerlichen Daten auf Vorrat
betrifft, also zu präventiven Zwecken. In beiden Fällen,
die die humane Grundnorm, Würde des Menschen (Art. 1 Abs.
1 Satz 1 GG), berühren, hat das Bundesverfassungsgericht
eindrucksvoll und nachdrücklich den nicht zu verletzenden
Integritätsraum des Menschen den veränderten Umständen
der Zeit entsprechend ausgedehnt und neu interpretiert. Strikt
analog, nämlich in einem identischen Sinn, ja, wenn es
ginge, in noch gesteigerter und eindeutigerer Weise gilt das
nicht zu irgendeiner Disposition zu stellende Recht der Persönlichkeit
auf ihre Integrität verbunden mit ihrer Selbstbestimmung
dort, wo sich Menschen physisch, psychisch und intellektuell
in Not befinden. Sonst zerbräche der grund- und menschenrechtliche
Eckstein. Und mache es zuweilen erhebliche Umstände, Willen
und Empfinden Behinderter authentisch herauszufinden: In die
selbstbestimmte Integrität ist nicht von Außen her
einzugreifen. Notfalls gibt der Bevollmächtigte den Ausschlag.
2. Die
Psychiatrie und die, die ihren Beruf als Psychiater erfüllen,
wird zu einer ernst zu nehmenden, grund- und menschenrechtsgemäßen
Heilkunde auf wissenschaftlich allemal prekärer Grundlage
erst, wenn sie sich radikal von allen Zwangsmitteln emanzipiert.
Würde der psychiatrische Beruf wie von manchen Vertretern
angemessen vertreten, würde zum einen das Menetekel vergangener
Psychiatrien, der nazistischen und der sowjetischen insbesondere,
aber nicht allein, täglich an der Gefahrenwand der Gegenwart
gesehen werden. Der Überhang des Missbrauchs, mit der Glasur
wissenschaftlicher Medizin überzogen, müsste heutige
Vertreter dazu motivieren, geradezu täglich die Anstrengung
der Psychiatrie ohne abgründigen Zwang zu unternehmen.
Zum anderen würde eine vom Zwang befreite Psychiatrie,
eine zugleich ohne Zwangsanstalten und Zwangsräume, die
schwierige, aber ihre Berufsvertreter ungleich human bereichernde
Kunst des Umgangs mit behinderten Menschen üben. Sie würde
damit der Disability Convention gerecht verfahren, der der Deutsche
Bundestag 2008 zugestimmt hat. Und sie würde endlich ihrem
wissenschaftlichen Anspruch als Hintergrund der Praxis gerecht
werden, statt zwangsdogmatisch eigene Unsicherheiten zu überspielen.
Indem sie durchsichtig und nachvollziehbar im Kernverhältnis
zwischen Arzt und Patient verführe, lernten ihre Vertreter
mit jedem Patienten, der seinerseits von ihnen lernte.
Summa summarum:
Nach allen Regeln der Grund- und Menschenrechte, nach allen
Regeln sozialwissenschaftlicher und juristischer Wissenschaft
und Kunst ist fest zu halten: Die Patientenverfügung gilt
in vollem Umfang gerade für psychisch Behinderte. Es geht
nicht an, mit einem einseitig konnotierten und verengten Verständnis
selbstbestimmter Integrität die PatV dort zu unterlaufen,
wo sie um der Grund- und Menschenrechte der Alten, der
Schwachen, der Behinderten aller Art willen am nötigsten
ist. Sie ist praktisch umzusetzen.
PS: Am
8.11.2010 hat das Amtsgericht in Sachen von Herrn K. beschlossen
(den das Amtsgericht zwangsweise hatte betreuen und behandeln
lassen): »die Bestellung einer Betreuungsperson erfolgt
nicht ... (da) die Anordnung von Zwangsmaßnahmen zur Ermöglichung
seiner Begutachtung unverhältnismäßig wäre.«
(Geschäftsnummer: 51
XVII 7201)
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