„die Vertragsstaaten ..., dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, überall als Rechtssubjekt anerkannt zu werden“ (Abs. 1), „anerkennen, dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen“ (Abs. 2) und stellen sicher, dass „der Wille und die Präferenzen der betreffenden Person geachtet werden“ (Abs. 4, Hervorhebungen ER).
„Jeder hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden“.
„dass das menschenrechtsbasierte Modell von Behinderung den Wechsel vom Paradigma der ersetzenden Entscheidungsfindung3 zum Modell der unterstützten Entscheidungsfindung4 impliziert“ (CRPD 2014 I, Nr. 3; Hervorhebung ER), während in der Praxis vieler Länder bislang „Menschen mit Behinderungen in vielen Bereichen in diskriminierender Weise das Recht auf rechtliche Handlungsfähigkeit verwehrt (wird), und zwar durch das System der ersetzenden Entscheidungsfindung, wie beispielsweise bei einer Vormundschaft, rechtlicher Betreuung und bei Gesetzen zur psychischen Gesundheit, die eine Zwangsbehandlung zulassen. Diese Praktiken müssen abgeschafft werden, um sicherzustellen, dass die volle rechtliche Handlungsfähigkeit für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen wiederhergestellt wird“ (CRDP 2014 I, Nr. 7).
„dass ‚Geistesgestörtheit’ und andere diskriminierende Bezeichnungen kein legitimer Grund für die Versagung der rechtlichen Handlungsfähigkeit (rechtliche Rolle und Rechtsstellung im Verfahren) sind. Nach Artikel 12 sind wahrgenommene oder tatsächliche Defizite in der geistigen Fähigkeit keine Rechtfertigung für die Versagung der rechtlichen Handlungsfähigkeit“ (CRPD 2014 II, Nr. 13; Hervorhebung ER). Für das Komitee ist das verbreitete „Konzept geistige Fähigkeit ... höchst umstritten. Entgegen den üblichen Darstellungen handelt es sich hier nicht um ein objektives, wissenschaftliches und naturgegebenes Phänomen. Geistige Fähigkeit hängt vom sozialen und politischen Kontext ab; dies gilt ebenso für die Fachbereiche, Berufe und Praktiken, die bei der Beurteilung geistiger Fähigkeit eine beherrschende Rolle spielen“ (CRPD 2014 II, Nr. 14, Hervorhebung ER).
„in der Mehrzahl der Berichte der Vertragsstaaten, die der Ausschuss bisher untersucht hat“, festgestellt, dass in unzulässiger Weise „die Begriffe geistige und rechtliche Fähigkeit verschmolzen (werden), sodass Personen, deren Fähigkeiten, Entscheidungen zu treffen, zumeist aufgrund einer kognitiven oder psychosozialen Behinderung vermeintlich beeinträchtigt sind, die Rechtsfähigkeit, eine bestimmte Entscheidung zu treffen, in der Folge entzogen wird. Dies wird einfach entschieden auf Grundlage der Diagnose einer Beeinträchtigung (Status-Ansatz) oder wenn eine Person eine Entscheidung mit vermeintlich negativen Auswirkungen trifft (Ergebnis-Ansatz) oder wenn die Fähigkeiten einer Person, Entscheidungen zu treffen, als mangelhaft betrachtet werden (funktionaler Ansatz). Der funktionale Ansatz versucht, geistige Fähigkeit zu bewerten und rechtliche Handlungsfähigkeit dementsprechend zu versagen. Er stützt sich häufig darauf, ob die betreffende Person die Art und die Folgen einer Entscheidung erfassen kann beziehungsweise ob sie mit den entsprechenden Informationen umgehen und sie abwägen kann.
Dieser funktionale Ansatz ist aus zweierlei Gründen mangelhaft: a) weil er in diskriminierender Weise auf Menschen mit Behinderungen angewandt wird, und b) weil er vorgibt, die inneren Abläufe des menschlichen Geistes genau beurteilen zu können und ein zentrales Menschenrecht – das Recht auf gleiche Anerkennung vor dem Recht – versagt, wenn jemand den Begutachtungstest nicht besteht. Bei all diesen Ansätzen wird die Behinderung eines Menschen und/oder seine Entscheidungsfähigkeit als legitime Basis genommen, die rechtliche Handlungsfähigkeit zu versagen und ihren Status als Rechtssubjekt zu verringern. Artikel 12 lässt eine solche diskriminierende Versagung der rechtlichen Handlungsfähigkeit nicht zu, sondern verlangt vielmehr Unterstützung bei ihrer Ausübung“ (CRDP 2014 II, Nr. 15, Hervorhebung ER),
„Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden“.
Auf den ersten Blick scheint damit der vom CRPD geforderte Wechsel vom Paradigma der ersetzenden zum Modell der unterstützten Entscheidungsfindung schon damals eingelöst worden zu sein. Ein Blick in die Begründung für den Entwurf dieser Gesetzesänderung macht jedoch deutlich, dass dies keineswegs der Fall ist. Dort wird nämlich spitzfindig unterschieden zwischen dem sog. „freien Willen“ und dem „natürlichen Willen“ und nur, wer über einen freien und nicht nur natürlichen Willen verfügt, sollte sich künftig der zwangsweisen Bestellung einer Betreuung erwehren können.
„die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern ein natürlicher Wille vor“ (Bundestags-Drucksache 15/2494, S. 28)
„der Wille und die Präferenzen der betreffenden Person geachtet werden“ (Abs. 4, Hervorhebung ER),
„die Unvereinbarkeit des im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegten und geregelten Instruments der rechtlichen Betreuung mit dem Übereinkommen“ und empfiehlt, „alle Formen der ersetzten Entscheidung abzuschaffen7 und ein System der unterstützten Entscheidung an ihre Stelle treten zu lassen“ (CRPD 2015, Nr. 25, 26; Hervorhebung ER).
„Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil
„Alle Formen der Unterstützung bei der Ausübung der rechtlichen Handlungsfähigkeit (einschließlich intensiverer Formen der Unterstützung) müssen auf dem Willen und den Präferenzen der betroffenen Person beruhen und nicht auf dem, was für ihr objektives Wohl erachtet wird“ (CRPD 2014, Nr. 29b; Hervorhebung ER),
„Die Versagung der rechtlichen Handlungsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen und die Unterbringung gegen ihren Willen in Einrichtungen, entweder ohne ihre Einwilligung oder mit Zustimmung einer Vertretung, sind ein dauerhaftes Problem. Diese Praxis stellt einen willkürlichen Entzug der Freiheit dar und verstößt gegen Artikel 12 und 14 des Übereinkommens“ (a.a.O., Nr. 40).
a) dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen das Recht auf Freiheit und Sicherheit ihrer Person genießen;
b) dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen die Freiheit nicht rechtswidrig oder willkürlich entzogen wird ... und dass das Vorliegen einer Behinderung in keinem Fall eine Freiheitsentziehung rechtfertigt“ (Hervorhebung ER).
„über die verbreitete Praxis der Zwangsunterbringung von Menschen mit psychosozialen Behinderungen in Einrichtungen, den mangelnden Schutz ihrer Privatsphäre und den Mangel an verfügbaren Daten über ihre Situation“ (CRPD 2015, Nr. 29).
„Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll“.
„tief besorgt darüber, dass der Vertragsstaat (die Bundesrepublik Deutschland, ER) die Verwendung körperlicher und chemischer Freiheitseinschränkungen, die Absonderung und andere schädliche Praktiken nicht als Folterhandlungen anerkennt. Er ist fernerhin besorgt über die Verwendung körperlicher und chemischer Freiheitseinschränkungen, insbesondere bei Personen mit psychosozialen Behinderungen in Einrichtungen und älteren Menschen in Pflegeheimen“ (CRPD 2015, Nr. 33)
„dem Vertragsstaat (der Bundesrepublik Deutschland, ER)
a) im Hinblick auf den General Comment Nr. 1 (CRPD 2014) des Ausschusses alle11 Formen der ersetzten Entscheidung abzuschaffen und ein System der unterstützten Entscheidung an ihre Stelle treten zu lassen;
b) professionelle Qualitätsnormen für Mechanismen der unterstützten Entscheidung12 zu entwickeln;
c) in enger Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderungen auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene für alle Akteure, einschließlich öffentliche Bedienstete, Richter, Sozialarbeiter, Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialbereich, und für die umfassendere Gemeinschaft Schulungen zu Artikel 12 des Übereinkommens bereitzustellen, die dem General Comment Nr. 1 entsprechen“ (CRPD 2015, Nr. 26, Hervorhebungen ER).
„alle unmittelbar notwendigen gesetzgeberischen, administrativen und gerichtlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Zwangsunterbringung durch Rechtsänderungen zu verbieten, und mit den Übereinkommens-Artikeln 14, 19 und 22 übereinstimmende alternative Maßnahmen zu fördern“ (CRPD 2015, Nr. 30, 30a) sowie
„die Verwendung körperlicher und chemischer Freiheitseinschränkungen in der Altenpflege und in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen zu verbieten“ (a.a.O., Nr. 34b; Hervorhebungen ER).
„Art. 12 UN-BRK will den Vorrang der Unterstützung bei der Ausübung der Handlungsfähigkeit vor einer ersetzenden Entscheidung, die – sollte sie notwendig werden – einer besonderen Rechtfertigung bedarf“ (BGT 2014, S. 1),
„die ‚rechtliche’ Betreuung als ein selbstständiges Fachgebiet der Sozialen Arbeit anzuerkennen und die justiz-lastige Konzeption einer verwaltenden und vertretungszentrierten Betreuung, die den Leitideen der großen Reform von 1992 widerspricht, zu überwinden“ (BdB 2015a, S. 1). Der Verband „widerspricht ... einer einseitigen Darstellung von Betreuung als Instrument ersetzender Entscheidungsfindung“ (a.a.O., S. 3),
„Nach Auffassung des BdB besteht keine generelle Unvereinbarkeit zwischen Betreuungsrecht und den Vorgaben der UN-BRK. Dennoch vertreten wir die Auffassung, dass die Betreuungspraxis und ihre Rahmenbedingungen (zu denen auch die gesetzlichen Grundlagen zählen) erhebliche Mängel aufweisen, die nur durch substantielle Veränderungen beseitigt werden können“ (ebd.).
„eine Situation, in der unqualifizierte Personen u. a. über Zwangsmaßnahmen entscheiden können bzw. müssen ist sehr bedenklich“ (BdB 2015a, S. 4),
„mit Erstaunen ... die kritische Stellungnahme des UN-Fachausschusses zum deutschen Betreuungsrecht zur Kenntnis genommen“. Er geht „davon aus, dass hier übersetzungsbedingte Missverständnisse vorliegen, insbesondere ist der Begriff der ‚gesetzlichen Vertretung’ im Sinne eines Instrumentes nicht verständlich zu machen“ und empfiehlt u. a. eine Änderung der Begriffe. „Anstelle der Bestellung des rechtlichen Betreuers als ‚gesetzlicher Vertreter’ könnte auch sprachlich mit derselben Wirkung die ‚Beiordnung’ eines Betreuers normiert sein“ (BDR 2015, S. 92),
„Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrechtlichen Praxis im Hinblick auf vorgelagerte ‚andere Hilfen’ unter besonderer Berücksichtigung des am 1.7.2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde“13
„empirische Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Qualitätsstandards in der Praxis eingehalten werden bzw. ob und ggf. welche strukturellen (einzelfallunabhängigen) Qualitätsdefizite insbesondere in der beruflichen aber auch in der ehrenamtlichen Betreuung bestehen und auf welche Ursachen diese ggf. zurückgeführt werden können“.
„auf welchem Wege in einem standardisierten Verfahren die Qualität der Betreuung fortlaufend kontrolliert und damit gesichert wird oder gesichert werden könnte“14.
„Unvereinbarkeit des im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegten und geregelten Instruments der rechtlichen Betreuung mit dem Übereinkommen“ und die dringende Empfehlung, „alle Formen der ersetzten Entscheidung abzuschaffen und ein System der unterstützten Entscheidung an ihre Stelle treten zu lassen“ (CRPD 2015, Nr. 25, 26)
„Unvereinbarkeit des im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegten und geregelten Instruments der rechtlichen Betreuung mit dem Übereinkommen“ und die dringende Empfehlung, „alle Formen der ersetzten Entscheidung abzuschaffen und ein System der unterstützten Entscheidung an ihre Stelle treten zu lassen“ (CRPD 2015, Nr. 25, 26)nicht eingegangen. Vielmehr konstatieren die Auftragnehmer des Projektes ganz im Sinne ihres Auftraggebers:
„Die Achtung des Willens und der Selbstbestimmung der betreuten Person wurde in Deutschland mit Einführung des Betreuungsrechts 1992 verpflichtendes und zentrales Element“ (ISG 2017, S. 2),
„Ein freier Wille (sei er aktuell oder früher geäußert) des Betreuten ist stets zu beachten, auch hat der Betreuer den Wünschen zu entsprechen, sofern diese dem Wohl des Betreuten nicht zuwiderlaufen“ (ISG 2016, S. 15, Hervorhebung ER).
„Alle Formen der Unterstützung bei der Ausübung der rechtlichen Handlungsfähigkeit (einschließlich intensiverer Formen der Unterstützung) müssen auf dem Willen und den Präferenzen der betroffenen Person beruhen und nicht auf dem, was für ihr objektives Wohl erachtet wird“ (CRDP 2014, Nr. 29b, Hervorhebung ER).
„breit angelegte(.) Befragungen der beteiligten Kreise (Betreute, Angehörige, Einrichtungsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen, Betreuungsrichter und -richterinnen, Rechtspfleger und -pflegerinnen, Betreuungsbehörden und Betreuungsvereine)16
„Sie kennen das Ziel, die Betreuten möglichst bei Ihrer eigenen Entscheidungsfindung zu unterstützen, anstatt ersetzende Entscheidungen zu treffen. Wir werden Ihnen jetzt einige Fragen zu diesem Themenkomplex stellen. Wie häufig können Sie im Arbeitsalltag mit Ihren Betreuten in einer Weise kommunizieren, die diese bei einer eigenen Entscheidungsfindung unterstützt?“ (ISG 2017, S. 76).